Unser Engagement in der Flüchtlingshilfe
Wir mussten einfach dabei sein!
Im Herbst 2015 spürten wir, dass unsere Stunde gekommen war. Als Service-Club galt es jetzt, nicht zu zögern. Unsere Herzen und unser Verstand wurden gefordert. Eine Welle der Hilfsbereitschaft ging durch unser Land und wir wollten einfach dabei sein. Wir wollten einen kleinen Beitrag leisten, um das große Ziel zu erreichen: Wir schaffen das!
An unserem Clubabend, am 2.11.2015, wurde uns die Arbeit vom SKM Krefeld vorgestellt. Der SKM ist ein katholischer Verein für soziale Dienste, der sich besonders für die Förderung von unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen einsetzt. Allein das Motto dieses Dienstes hat uns angesprochen: Schutz bieten, Kraft geben, Mensch sein. Wir unterstützten den Verein mit Geld, so dass dieser sich eine zusätzliche Arbeitskraft leisten konnte. Einige von uns stellten sich als Pate zur Verfügung.
Weiterhin kam es zu einer Aktivitäten-Flut. Wir gingen in die Flüchtlingsunterkünfte, sprachen mit den Behörden, knüpften erste persönliche Kontakte zu Flüchtlingen, spendeten recht ordentliche Summen aus unserem Aktivity Fonds und baten sehr erfolgreich unsere Mitglieder zur Kasse. Ulrich Tillmanns wurde unser Flüchltingsbeauftragter.
Unsere Hauptaktivität war der Aufbau einer Sprachschule. Sechs Mitglieder unseres Clubs stellten sich mit ihren Damen als Deutschlehrer zur Verfügung. Auf einem VHS-Seminar holten wir uns wichtige Informationen und lernten dort Männer und Frauen kennen, die sich unserer Schulaktivität mit Freude anschlossen. So stand uns genügend Ausbildungspersonal zur Verfügung.
Schlag auf Schlag galt es jetzt weitere Grundlagen zu schaffen: Der Flüchtlingsrat am Bleichpfad stellte uns zwei Unterrichtsräume kostenlos zur Verfügung. Wir besorgten das Unterrichtsmaterial: Kurs- und Arbeitsbücher renommierter Schulbuchverlage. Wir verschenkten die Bücher nicht an die Schüler, wir verkauften sie für 10 €. Wir wollten verhindern, dass sie mit den Gratisbüchern gleich wieder verschwanden. Wir kauften Blocks, Vokabelhefte, Stifte, Radiergummis. Wir besorgten Tafeln und Flipcharts mit Stiften und Putzmaterial. Wir fanden ein großes Herz, das uns zwei Beamer schenkte.
Jetzt hatten wir eine gute Basis, doch woher nehmen wir die Schüler? In Krefeld waren schon über 3000 Flüchtlinge gestrandet. Der staatliche Deutschunterricht kam erst langsam ins Rollen. So wurden wir gebraucht, bangten jedoch vor einer Aufgabe, die wir vielleicht nicht erfüllen könnten. Wir hängten in zwei Flüchtlingshallen Plakate aus und luden ein, zu uns zu kommen: Jede Woche, montag- und mittwochnachmittags von 15 bis 18 Uhr. Im März 2016 ging es los. Fast fünfzig Wissbegierige kamen: Syrer, Afghanen, Kurden, Iraner. Wir erfassten alle. Das dauerte Stunden. Allein die Namen der „sprachlosen“ neuen Freunde waren für uns Hürden. Doch es gelang, und wir teilten unsere Gäste in zwei Klassen ein. In die Gruppe A nahmen wir die Schüler auf, die schon ein wenig Deutsch konnten. In die Gruppe B kamen die wirklichen Anfänger. Hier war es besonders schwer, den Anfang zu finden, weil viele selbst in ihrer eigenen Sprache das Alphabet nicht kannten. Englisch sprachen die wenigsten.
Das Lehrpersonal wurde aufgeteilt in Frontrunner und Dozenten. Der Frontrunner führt den Unterricht, steht vorn und bestimmt die Musik. Die Dozenten sitzen zwischen den Schülern und helfen beim Schreiben, Lesen und Übersetzen. Fast immer wird ein Handy zu Rate gezogen, um Deutsches in Arabisches, Farsi oder Kurdisch zu übersetzen. Wir erkannten schon nach den ersten Stunden, dass sowohl die Schüler als auch wir Lehrer das große Los gezogen hatten. Beide Seiten waren glücklich und gewissenhaft dabei. Unsere neuen Freunde waren fleißig und interessiert. Und wir gewannen große Einblicke in Herzen, Kulturen und Sprachen.
Was wir tun ist sicher ein gutes Werk. Doch für uns gilt die Regel: Alles, was wir tun, tun wir für uns selbst. Natürlich auch für die Betroffenen. Aber in erster Linie für uns selbst. Das tut uns schon gut, dabei zu sein, beim Thema mitzumischen, nicht nur secondhand zu reden. Unsere Aufgabe ist so schön, so spannend, so neu, so wenig nur Erwartungen erfüllend. Unsere Schüler sind sehr lernbegierig, so herzlich, so dankbar. Unsere Arbeit wird so zur hellen Freude. Locker geht es zu. Wir singen, wir lachen, wir rezitieren miteinander: Guten Morgen, wie geht es dir. Mir geht es gut, und wie geht es dir? Im Chor lernen die Schüler die Worte. Viel Basisarbeit wird getan. Alles fängt mit dem Alphabet an. Ein schwieriges Unterfangen. Wir üben die Zahlen und erklären den Unterschied zwischen neunzehnhundertachzig und eintausendneunhundertachzig, zwischen der Jahreszahl und einer Zahl. So schwer der Anfang für unsere Schüler auch sein mag, sie werden bald spüren, dass sie bei uns viele große und wichtige Pflastersteine für den schwierigen Weg ihrer Integration bekommen.
21.März 2016
Noch schauten die Schüler ernst in die Kamera. Doch die Gesichter erhellten sich schnell. Wir durften heute zum ersten Mal mithelfen, jungen Flüchtlingen die deutsche Sprache näherzubringen. Über vierzig Syrer, Iraner und Afghanen waren gekommen, im Alter von zehn bis dreißig Jahren. Bald sahen wir nur herzliche, wohlwollende Gesichter, leuchtende Augen und spürten hohe Aufnahmebereitschaft. Uns bot sich ein Bild der Dankbarkeit und Freude. Dabei zu sein, ist hier wirklich ein Geschenk. Null Pflicht. Möge es uns gelingen, unsere Schüler ins schwierige Reich der deutschen Sprache mitzunehmen.
siehe auch Artikel in der Rheinischen Post vom 19.4.2016: >> bitte hier klicken
20.Juli 2016. Kommunikation pur vor der Sommerpause.
Wir verabschieden uns in die Ferien. Wirklich? Die Lehrer schon, aber unter den Schülern wird wohl keiner gewesen sein, der sich einen Urlaub leisten kann. Ungerechte Welt! Trotzdem tat unser Abschiedsfest im Katholischen Forum auf der Felbelstraße allen gut. Wir hatten Kuchen und Salate, Deftiges und Feines für die Schüler mitgebracht. Wir saßen glücklich beieinander, wir spielten Fußball im Garten, wir schwätzten, wir radebrechten. Der Höhepunkt war eine Fotosession. Auf den Stufen zum Garten kämpfte jeder um den besten Platz, wir sangen Lieder, wir jubelten, wir hatten sehr viel Freude. Die Bilder zeigen, dass hier Integration zumindest für ein paar Momente richtig gut gelungen ist. Wenn alle wieder zurück in ihre bescheidene Wohnung oder in ihre Halle müssen, kommt sicher Wehmut auf. Jedes der Bilder, die wir eingegeben haben, ist aber ein kleiner Beweis dafür, wie leicht Freude geschenkt werden kann.
6.Mai 2017. Ein Highlight für Schüler und Dozenten
Alle Schüler und das kleine Kollegium wurden eingeladen von Latif Kul, Fischhändler und Gastronom, einem Türken mit großem Herz, einem Menschenfreund. „Da meine Eltern selber vor vielen Jahren nach Deutschland ausgewandert sind, fühle ich mich verpflichtet, meinen sozialen Beitrag in Form dieser Einladung zu leisten. Heute habe ich die Möglichkeit, anderen Menschen zu helfen. Ich möchte hiermit ein Zeichen setzen gegen Vorurteile und Fremdenhass, denn nur durch Unterstützung, Offenheit und Empathie ist Integration überhaupt möglich." Wow. Wir waren paff und zogen mit vierzig Personen und Persönchen in Latifs Fischhaus auf dem Großmarkt hier in Krefeld.
Es war ein herrlicher Frühlingstag. Vor uns stand ein liebevoll aufgebautes, großzügiges Buffet. Wir bedienten uns, der Fisch wurde am Tisch serviert. Lukullisch war es, nur strahlende Gesichter. Der spendable Uli ließ einen kühlen Riesling servieren. Dann kam es zu dem, was so wichtig ist für Feste: Uli dankte den Schülern für ihre Treue und dem Gastwirt für sein großes Herz. Dann traten getrennt Asieh, Salar und Sami mit entzückenden Dankesreden auf. Keiner von uns hatte ihnen dabei geholfen. Großartig, ein paar Tränchen flossen. Und dann wurde es herzlich politisch: Dr. Hans Rehbein, Flüchtlingskoordinator der Stadt Krefeld, stand vor unseren Schüler und erfreute sie: „Sie sind keine Flüchtlinge mehr, Sie sind unsere Neubürger, Sie gehören zu uns, bald oder etwas später sind Sie Mitbürger unserer Stadt.“ Das tat uns allen richtig gut. Zum Schluss sprachen unser Gastgeber Latif und seine iranische Frau. Niveau der höchsten Stufe.
Jeder von uns spürt große Verbundenheit mit seinen Schülern. Wir Lions empfanden, dass uns eine große Aktivity gelungen ist.
17.7.2017
Mit Dolma in die Sommerferien – leben lernen lachen
Dolma ist kein Mädchen, sondern eine persische Speise, die Atthra für uns alle gekocht hatte. In Feigenblätter waren köstliche, scharfe Klößchen versteckt. Wir hatten unsere Sprachschüler zum Kuchenfest eingeladen. Eingeladen ist nicht ganz richtig, denn wir äußerten dabei den Wunsch, Kuchen mitzubringen. So stand die warme Dolma mitten in einem kalten Kuchenmeer.
Was haben Uli und wir in den beiden letzten Jahren Großartiges auf die Schiene gesetzt! Unsere Schüler wurden zu kleinen Sprachspezialisten, zu dankbaren Freunden. Sie strahlen eine große Herzlichkeit aus. Sie reißen uns einfach immer wieder mit. Unsere Arbeit wurde nie zur Belastung.
Wir nutzten Ulis Anwesenheit und (leider letzten?) Auftritt dazu, ihm zu danken. Für ganz viel, für eine nützliche Arbeit, für tolle Menschen, für eine großartige Gemeinschaft, für Teilhabe an einer großen politischen Aufgabe. Marietta sprach den Dank und überreichte Uli kleine, edel gefertigte Vorläufer für ein repräsentatives Fotobuch, welches erst fertiggestellt werden kann, wenn die Kuchenbilder eingeflossen sind.
Zum Abschied rundeten sich unsere Arme für liebevolles Drücken. Am 4. September beginnt wieder der Ernst des Sprachenlebens. Ein bisschen Leere werden wir in den Ferien schon verspüren. Übrigens „Wir“, das sind Uli, der Chef, Marietta, zuständig für unsere Herzen und die Organisation, und alle emsigen Frontrunner und Dozenten.
15.August 2017: Unsere Sprachschule ist auch eine Kulturschule
Auf der Rückreise spielten uns unsere kurdischen Freunde aus dem Iran eine persische Ghasele (Gedicht) aus dem 13.Jahrhundert vor:
Die Menschenkinder sind ja alle Brüder, aus einem Stoff wie eines Leibes Glieder. Hat Krankheit nur ein einzig Glied erfasst, bleibt andren weder Ruh noch Rast. Wenn andrer Schmerz dir nicht im Herzen brennt, verdienst du nicht, dass man noch Mensch dich nennt. Wunderbar!
Wir waren mit einer kleinen Schar von wissbegierigen Schülern in Bonn und besuchten die Ausstellung: Iran. Frühe Kulturen zwischen Wasser und Wüste.
Es fing mit einer Überraschung an: Der Direktor und die Kuratorin der sehenswerten Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn begrüßten uns persönlich. Ein große Ehre für uns alle.
Eine besondere Überraschung bestand darin, dass unsere Flüchtlingsfamilie Miladi auch noch den 100.000 Besucher stellte! Große Freude!
Viel Heimat und deren Kultur konnte die Ausstellung unseren Freunden vermitteln. Stolze, überraschte und begeisterte Gesichter bekamen wir geschenkt. Immerhin soll in Persien das Paradies erfunden worden sein.
„Hier sehen wir einmalige Kulturschätze aus unserer Heimat, die wir vorher nie gesehen haben“, sagten uns die mitgereisten Familien Miladi und Mikaeli. Auch ein wenig Deutschland kam hinzu: Ein Spaziergang durch die Bonner Rheinauen und ein Besuch der alten Zollstadt und Feste Zons am Rhein. Es war ein großartiger Tag. Dank an Sigrid, Marietta und Klaus, die wieder einen tollen Beitrag zum Gelingen unseres Schulprojektes geleistet haben. Solche Aktivitäten sind wichtig für die Schüler, um uns und unser Land besser kennenzulernen. Und wichtig für die Lehrer, um enger mit den Schülern verbunden zu sein.
Auch dem Club tut es gut: Gemeinsam helfen schweißt zusammen: We serve together.
10.November 2017: Unsere Flüchtlinge werden katholisch
Vier unserer Sprachschüler wollten katholisch werden. Es war für uns sofort klar, hier bieten wir unsere Hilfe an. Der Wunsch wurde geweckt in einem Benediktinerkloster in Meschede. Hier hatten unsere Konvertiten aus dem Iran ihr erstes Zuhause in Deutschland. In Krefeld angekommen, wurden sie aktiv und besuchten in mehreren Gemeinden die Gottesdienste. Später lernten sie den Pastoral-Referenten Ulrich Hagens der Stadtkirche St. Dionysius kennen und die Vorbereitungen und der Unterricht begannen. Einer von uns war immer dabei und begleitete die werdenden Christen.
Die Taufe
Wir standen am 10. November 2017 rund um das schöne Taufbecken in St. Dionysius, die vier Täuflinge Sirwan, Narmin, Leila und Salar mit dem Sohn Keywan und den Paten Klaus und Wilfried, Ulrich Hagens und Pfarrer Heinz Wans, der unsere Schützlinge taufte. Es war eine würdige Erwachsenentaufe.
Wir beteten, wir hörten zu und erlebten eine schon ganz besondere Stimmung.
Anschließend gab es bei Sigrid ein kleines Tauffest. Und eine kleine Rede: Wir lernten euch im Sprachunterricht kennen. Stille, sympathische Menschen. Vom Leid getroffen, mit Mut in den Augen und mit Lust auf die Sprache. Ihr habt gespürt, unter den Christen fühlen wir uns wohl und angenommen, in einer Kirche, die ihren Ursprung fast in eurer Heimat hat. Durch die Taufe wachst ihr jetzt in den Glauben und die Kirche hinein. Perfekte Christen gibt es nicht. Euer Wunsch, dabei zu sein, macht euch den Weg frei. Ihr werdet euch bald in der christlichen Gemeinschaft sehr wohlfühlen. Eure Gefühle oder eure Seelen werden euch immer wieder sagen, ihr habt einen großartigen Schritt getan.
Die Kommunion
Am Wochenende danach ging es zur ersten Heiligen Kommunion. Gemeinsam mit Hunderten von Gemeindemitgliedern. Der Pfarrer begrüßte unsere Erstkommunikanten im Rahmen seiner Sonntagspredigt sehr herzlich.
Firmung
Im Hohen Dom zu Aachen wurden unsere Schüler vom Aachener Bischof Dr. Helmut Dieser gefirmt. Einmal im Jahr gibt es dort eine Erwachsenen-Firmung. Auf höchstmöglichem Niveau.
Zusammen mit neunundfünfzig deutschen Firmlingen saßen unsere Schützlinge nervös und voller Spannung mitten im Oktogon des Domes unter dem berühmten Barbarossaleuchter. Was mögen sie empfunden haben? Sicher war alles etwas zu viel. Mit großer Nächstenliebe wurden sie empfangen, der Bischoff stellte sich Ihnen persönlich vor, der großartige Dom, unsere tausendjährige Geschichte.
Uns beglückte es sehr, dass wir unsere Konvertiten begleiten durften. We served.